Bei wie wenig Licht fotografiert ihr noch? Die Foto-Challenge dieses Monats

Dom Salmon Photo Finish19 Apr. 202411 min read
Dom Salmon assets for Nikon magazine, Photo Finish: Low Light

Im nächsten Teil unserer Fotofinish-Challenge-Serie geht es um Schwachlicht. Wohin wird es euch führen?

Kamera XYZ bei wenig Licht: die Fakten!

Leistung bei wenig Licht? Was euch der Kamerahersteller nicht verraten hat!

Ich verschlinge eine ganze Menge Fotoinhalte, sodass mein YouTube-Feed manchmal wie ein endloser Strom von Clickbait-Schlagzeilen wirkt, so wie die oben für Kameras. (Für Objektive sind es normalerweise Dinge wie Warum das Fokus-Breathing dieses Zooms das ENDE DER WELT bedeutet!)

Also, „schwaches Licht“: Was ist damit gemeint? Und warum ist das so ein Thema?

Im Wettrüsten der Kameras und insbesondere ihrer Bildsensoren ist eines der wichtigsten Gebiete, wie gut eine Kamera mit schwachen Lichtverhältnissen zurechtkommt – Situationen, in denen zu Zeiten des Films die Chancen auf ein brauchbares Bild praktisch gleich null waren.

Das lag daran, dass der Dynamikbereich – also der Bereich der Helligkeit, in dem Details genau aufgezeichnet werden konnten – bei analogem Film (im Vergleich zu moderner digitaler Bildbearbeitung) winzig war. Das bedeutete, dass eine ziemlich dunkle Szene, die man aufnahm, oft ein fast komplett schwarzes Bild ergab.

Heutzutage können wir eine großartige Bildqualität in Situationen mit viel weniger Licht als früher erzielen. Was aber die endlosen Clickbait-YouTube-Titel meiner Meinung nach nicht unterscheiden, ist, dass „wenig Licht“ eigentlich zwei Dinge bedeutet. Erstens ist es eine Herausforderung, ein Bild in einer dunklen Situation aufzunehmen. Zweitens erfordert es eine aktive kreative Entscheidung, um eine Stimmung, Atmosphäre oder ein Gefühl im Bild zu erzeugen.

Photos of Dom Salmon for his magazine article, How to take a professional headshot

Dom Salmon

Writer and Photographer

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Das steckt in der Kameratasche

Dom Salmon's accompanying images for Nikon magazine 'How to shoot with light'
Wenig Licht, viel Technik

Nun der wissenschaftliche Teil. Viele weitaus klügere Leute als ich können euch weitaus mehr darüber erzählen, warum ihr Bilder auf unglaublichem Niveau machen könnt. Nach dem Motto: „Was man sehen kann, das kann man auch fotografieren!“ Einfach ausgedrückt, steckt in eurer Nikon-Digitalkamera eine Menge cleverer Technik, die euch hilft, Aufnahmen im Dunkeln zu machen.

Der Sensor

Wie bereits erwähnt, übernehmen die Kamerasensoren einen großen Teil der Arbeit, um bei schwachen Lichtverhältnissen ein gutes Bild zu liefern. Nehmt zum Beispiel Nikons Flaggschiffkamera, die Z9. Zunächst einmal hat sie einen Vollformatsensor und jede Menge Pixel. Im Gegensatz zu APS-C- oder Crop-Sensoren ist der Sensor physisch größer, und eine größere Pixelgröße fängt mehr Licht ein. Eigentlich eher easy, oder?

Nicht ganz so einfach ist die rückwärtige Belichtung (BSI). Dafür werden Verkabelung und Architektur auf die Rückseite des Sensors verlegt, sodass die Vorderseite mehr Licht einfangen kann. Könnt ihr mir noch folgen? (Ich bin einigermaßen zuversichtlich, dass ich auch diesen Teil verstehe.)

Und dann ist da noch die super-duper Rechenleistung, die im neuen EXPEED-7-Prozessor der Z9abläuft. Ich werde nicht einmal so tun, als ob ich das alles verstünde. Ich weiß, dass es seltsam ist und auch magisch – und dabei möchte ich es belassen. Fazit: Selbst bei hohen ISO-Werten (d. h. erhöhter Lichtempfindlichkeit) ist das Bild immer noch sehr detailreich und kornfrei.

Eure Kamera

Eine integrierte Bildstabilisierung (IBIS) ist schon seit einiger Zeit ein Muss für jede professionelle Kamera – und wird inzwischen auch in den meisten einfachen Kameras eingesetzt. Wieso? Damit ist eine der größten Herausforderungen beim Fotografieren bei wenig Licht gelöst. Eine Möglichkeit, um mehr Licht hereinzulassen, ist eine längere Verschlusszeit. Je länger die Blende geöffnet ist, desto mehr Licht fällt ein. Aber je länger die Belichtung, desto wahrscheinlicher ist eine leichte Verwacklung der Kamera, wenn ihr aus der Hand fotografiert. Das Ergebnis? Ein weniger scharfes oder sogar unscharfes Foto.

IBIS bewegt den Sensor physisch, um diese Bewegung zu kompensieren. Ich kann jetzt um sechs bis sieben Verschlusszeiten länger als früher fotografieren und bin immer noch ziemlich sicher, dass ich ein gestochen scharfes Bild bekomme. Das ist eine Menge mehr Licht als vor 30 Jahren – auch wenn meine Hände jetzt, da ich älter bin, viel mehr zittern!

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Euer Kameraobjektiv

Zunächst einmal stabilisiert der IBIS den Sensor, während er Licht sammelt. Der integrierte optische Bildstabilisator (OIS) eures Z-Objektivs tut dasselbe, indem er das Bild stabilisiert, während es durch die Optik läuft. Das Beste daran ist, dass das Gehäuse und das Objektiv jetzt miteinander kommunizieren können, wodurch der Stabilisierungseffekt zwischen beiden verbessert wird. Das bedeutet, dass ihr mit eurer Verschlusszeit sogar noch langsamer werden könnt!

Ziemlich smart, oder? Und was ist die cleverste Entwicklung bei diesen Objektiven der Z-Serie?

Hier kommt sie: Die Öffnung ist größer.

Ich habe bestimmt eine Million Bilder mit Nikons originalen F-Bajonett-Objektiven gemacht. Ich habe noch einige davon, weil ich ihre Schärfe und das Bokeh so mag. Und eine Million anderer Fotograf:innen haben das Gleiche getan – einige der berühmtesten Fotos, die ihr je gesehen habt, wurden mit einem NIKKOR-Objektiv mit F-Bajonettanschluss aufgenommen.

Als Nikon 2018 ankündigte, das neue spiegellose Z-Bajonett zusammen mit seinen ersten spiegellosen Kameras, der Z6 und Z7, einzuführen, war das fotografisch gesehen praktisch ein Moment wie die Erfindung der Glühbirne. Im Ernst! Es hat das Internet lahmgelegt. Andererseits sollten wir Fotograf:innen wahrscheinlich einfach mehr rausgehen …

Was bedeutete die Änderung? Zunächst einmal war die Öffnung, wie gesagt, einfach größer, und größer bedeutet mehr Licht. Diese physikalische Änderung bedeutete auch, dass der Abstand des Objektivs zum Sensor (ursprünglich Film im F-Bajonett) verringert werden konnte.

Wenn ihr also der Meinung seid, dass NIKKOR-Objektive großartig sind – und das ist bei mir nach wie vor der Fall – dann solltet ihr euch ansehen, was die Nikon-Ingenieure mit dem neuen Z-Bajonett erreichen können. Größere Blendenöffnungen, kompaktere Kameras, weniger Abbildungsfehler und Verzeichnung: Die Z-Serie bietet mehr Leistung bei geringerem Platzbedarf.

Hinzu kommt, dass der „Hals“ des Objektivs größer ist, was mehr elektronische Kontakte erlaubt, die mit der Kamera verbunden werden können. So hat man jetzt eine superintelligente Kamera, die mit einem sehr intelligenten Objektiv kommuniziert und in Situationen mit unglaublich wenig Licht so schnell fokussieren kann, dass es mir schwer fallen würde, dies manuell zu tun – meine Augen werden halt auch nicht jünger.

Eure Bilddatei

Wenn ihr einen meiner anderen Artikel gelesen habt, habt ihr wahrscheinlich gehört, wie ich über das Fotografieren im RAW-Format gesprochen habe – und ich werde niemals damit aufhören!

Wieso? Die Möglichkeit in RAW, Details aus Schatten wiederherzustellen, ist kaum zu fassen. Dieser Teil des Dynamikbereichs ist unglaublich – die Z9 bietet etwa 12 Blendenstufen an Lichtdetails im selben Bild! Selbst aus einem dunklen Bild kann man also noch jede Menge Details wiederherstellen.

Und das ist der Punkt, an dem die ganze Kamerawissenschaft ein wenig in Kamerakunst übergeht. Vor langer Zeit, als ich darüber nachdachte, vollständig auf digitale Fotografie umzusteigen, testete ich mehrere Systeme. Es war das NEF-RAW-Dateiformat von Nikon, das meiner Meinung nach einfach etwas „Poetischeres“ an sich hatte. Es war nicht nur die Tatsache, dass ich meine vorhandenen Objektive behalten konnte (es gibt den Bajonettadapter FTZ II, mit dem ihr eure alten F-Bajonett-Objektive weiterverwenden könnt), die mich dazu brachte, bei Nikon zu bleiben. Meine Testbilder hatten einfach etwas „mehr“ an sich, vor allem bei schwachen Lichtverhältnissen. Dort, wo es früher unmöglich gewesen wäre, ein großartiges Bild zu erhalten, hatte ich tatsächlich den Eindruck, dass das NEF-Format mehr als nur ein anständiges Bild lieferte – unabhängig von der jeweiligen Situation und ihren Herausforderungen.

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„Hello darkness, my old friend“

OK, hoffentlich zeigen all diese cleveren Dinge, dass ihr euch entspannen und tief durchatmen könnt. Denn nun wisst ihr, dass ein brauchbares Bild selbst in einer kniffligen, ziemlich dunklen Szenerie möglich ist. Was mich an den endlosen Klagen unserer YouTube-Freund:innen stört: Schwaches Licht wird oft als etwas Negatives dargestellt, das es zu überwinden gilt – und nicht als etwas Positives, das man nutzen kann.

Der kreative Umgang mit schwachen Lichtverhältnissen kann eine sehr wirkungsvolle Methode sein, um eure Fotos herausstechen zu lassen. Die meisten Bilder, die uns tagtäglich begegnen, stammen von einem überarbeiteten Smartphone, das kurz vorm Burn-Out steht, um alles in der Szene gleichmäßig zu beleuchten. In meinem letzten Artikel über Schwarz-Weiß-Fotografie habe ich Leute wie Bill Brandt erwähnt, die aktiv nach Situationen mit wenig Licht suchten, um Atmosphäre und Dramatik zu erzeugen. Die Fotografie-Pionierin Julia Margaret Cameron mag Mitte des 19. Jahrhunderts große technische Herausforderungen gehabt haben, um überhaupt ein Bild auf ihre Kameraplatten zu bekommen. Aber die dunklen, grüblerischen Bilder, die sie schuf, haben auch noch über ein Jahrhundert später eine große Wirkung.

Interessanterweise hat die digitale Bildgebung in der Mode zu einem eher nüchternen und hellen Bild geführt. Ja, ich weiß, das ist eine pauschale Verallgemeinerung, aber Social Media spielt hier eine große Rolle. Im Gegensatz dazu wissen unsere Kolleg:innen vom Film und Fernsehen die dunkle Seite in ihrer Bildgestaltung wirklich zu schätzen. Wie bei Fotos haben neue Kameratechnologien und kleinere, tragbare LED-Leuchten zu unglaublichen Ergebnissen geführt. Selbst bei sehr schwachem Licht ermöglichen sie unglaublich stimmungsvolle Bildausschnitte und eine enorme erzählerische Tiefe.

Filmemacher, vom legendären Gregg Toland bis hin zu modernen Meistern wie Roger Deakins und Rachel Morrison, verwenden „praktische“ Lichtquellen (d. h. man kann sie tatsächlich im Bild sehen). Das schwache Licht lässt große Bereiche des Bildes fast schwarz erscheinen und schafft äußerst atmosphärische leere Bereiche.

Jetzt seid ihr dran

Hier findet ihr einige Herausforderungen bei schwachem Licht, die euch den Tag versüßen.

Challenge-Set 1: Richtig Gas geben

Wenn ihr eure Nikon Z und auch das NEF-Digitalnegativformat noch nicht kennt, lohnt es, sich mit den Möglichkeiten dieses Formats zu beschäftigen.

Seht euch dieses Bild eines Graffitikünstlers an, das ich in Florenz aufgenommen habe. Sieht es so aus, als wäre es hell erleuchtet gewesen?

Dom Salmon assets for Nikon magazine, Photo Finish: Low Light

Seht euch einfach das unbearbeitete Bild in diesen nebeneinander liegenden Screenshots an. Ich habe absichtlich stark unterbelichtet, um zu zeigen, wie viele Details selbst aus dem lichtschwächsten Bild herausgeholt werden können. Und wenn ihr euch wirklich anstrengt, könnt ihr einen starken, dramatischen Look erzeugen. Ich hoffe, das gibt euch das nötige Selbstvertrauen, um schwache Lichtverhältnisse als kreative Kraft und nicht als Unannehmlichkeit zu betrachten.

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Einsteiger:innen: Keine Angst vor Dunkelheit!

Geht auf die Straße und seht, wie viel ihr aus jeder Lichtquelle herausholen könnt. Nehmt dieses Bild eines Cafés in Rom. Es war ziemlich dunkel, aber alle Lichtquellen, von der Thekenbeleuchtung bis hin zu den niedrigen Innenraumleuchten, ergaben eine sehr komplexe Kombination von Lichtern und ein angemessenes Maß an Helligkeit – viel interessanter als ein helles Tageslichtinterieur.

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Hobbyfotograf:in: Es werde Licht

Wahrscheinlich gibt es immer irgendeine Lichtquelle in der Nähe – und manchmal kann man sie sogar in den Bildausschnitt einbeziehen, anstatt sie nur zur Beleuchtung zu verwenden. Nehmt dieses Bild von Courtney. Die Bar war ziemlich dunkel (wie Bars im Allgemeinen), aber es gab dort sehr coole, tief hängende Glühbirnen. Warum sollte man das also nicht aktiv für ein Porträt nutzen?

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Die Herausforderungen? So macht ihr die Lichtquelle zum Highlight eurer Aufnahme. Es ist ein starkes erzählerisches Mittel in einem Bild, wenn man eine sehr offensichtliche „motivierte“ Lichtquelle hat. Das muss nicht so extrem zu sein wie bei meiner Aufnahme. Eine Leuchtreklame, ein Laptop-Bildschirm, sogar die Taschenlampe eures Handys – es gibt immer etwas, das ihr nicht nur zur Beleuchtung eurer Szene verwenden, sondern aktiv zum Star der Show machen könnt.

Fortgeschrittene: Nicht gegen den Strom schwimmen

Wie wir gesehen haben, kann man eine RAW-Datei ziemlich stark beanspruchen – vor allem, wenn man mit einem niedrigen ISO-Wert fotografiert. Die meisten möchten das Rauschen und die Körnung aus ihrem Bild entfernen, um Schärfe und Details zu erhalten. Doch manchmal macht es auch Spaß, sich an den Look des alten Schnellfilms zu erinnern, bei dem die Körnung groß wie Kieselsteine war. Nehmt diese Aufnahmen, eine von einem Mailänder Kanal und eine andere von Taxifahrern in Bangladesch. Ich ging aufs Ganze mit hohem ISO-Wert, in beiden Fällen über 2000 – und habe nicht versucht, bei der Bearbeitung clever zu sein. Diese Aufnahmen sind sozusagen aus der Kamera heraus entstanden. Die Körnung verleiht ihnen einen sehr düsteren, dokumentarischen Look.

Dom Salmon assets for Nikon magazine, Photo Finish: Low Light
Dom Salmon assets for Nikon magazine, Photo Finish: Low Light

Fordert euch also selbst heraus, geht hinaus und versucht nicht, mit einem möglichst niedrigen ISO-Wert zu fotografieren, um Körnung zu vermeiden, sondern lasst euch darauf ein. Wenn ihr die ISO-Zahl erhöht, ist das so, als ob ihr eine Infrarotbrille in eurem Sucher einschaltet! Das eröffnet euch eine ganz neue Welt der Nachtaufnahmen und verleiht euren Bildern eine ganz andere Atmosphäre und Textur.

Profis: Die Welt in Bewegung

Im technischen Teil dieses Artikels haben wir uns damit beschäftigt, wie all diese cleveren IBIS- und Algorithmusfunktionen dazu führen, dass man mit viel kürzeren Verschlusszeiten fotografieren und damit viel schärfere Bilder erzielen kann. Was ist, wenn wir den umgekehrten Weg gehen?

Zum Beispiel diese Skateboarder in Ghana. Wir hatten einfach nur graues Dämmerlicht – flach, matt, langweilig. Und genau so sah das Bild dann auch aus. Die Idee, Porträts mit Blitzlicht zu machen, schien nicht zu dem Straßenlook zu passen, den ich wollte. Am Ende öffnete ich einfach den Verschluss, um die Bewegung der Skater einzufangen. Ein Malen mit Licht, wodurch ein fast abstraktes Gefühl entstand.

Fordert euch selbst heraus, indem ihr die Verschlusszeit verlängert. Achtet auf Bewegungen wie Autoscheinwerfer oder Straßenlaternen, die sich über euer Bild bewegen – und bewegt euch selbst. Trial and Error gehört dazu – aber gerade das macht Spaß: Das bisschen Licht, das ihr habt, zu nutzen, um euer Bild kreativ und überraschend zu gestalten.

Challenge-Set 2: Was passiert im Schatten

Als Assistent habe ich für Fotograf:innen sicher Hunderte klassische Blitz-Set-ups mit Haupt-, Aufhell- und Haarlicht aufgebaut. Als ich dann anfing, meinen eigenen Lebensunterhalt als Fotograf zu verdienen, durften meine Assistent:innen Hunderte für mich einrichten! Entstanden bei dieser Einrichtung einige der schönsten Aufnahmen von Menschen, die ich gemacht oder zumindest bearbeitet habe? Wahrscheinlich nicht. Ich bin im Allgemeinen eher ein Fan von „seltsam“ beleuchteten Porträts als von superscharfen, supergleichmäßig beleuchteten Studioaufnahmen.

Wie lässt sich das, was wir aus den bisherigen Low-Light-Situationen gelernt haben, auf Porträts übertragen – und wie können wir wenig Licht gezielt einsetzen, um Bilder mit erzählerischer Tiefe zu schaffen?

Einsteiger:innen: Naturbelassen

Aus dem vorherigen Challenge-Set wissen wir nun, dass wir bei ziemlich wenig Licht fotografieren können und kein zusätzliches Licht an der Quelle benötigen. Bei Porträts erzielt man jedoch ohne zusätzliches Licht oder zumindest einen Modifikator wie einen Reflektor oft etwas flache und stumpfe Ergebnisse. Aber halt! Bevor ihr zum Blitzschirm greift, überlegt lieber, was ihr mit dem vorhandenen Licht machen könnt. (Einen Leitfaden für die optimale Nutzung von Indoor-Licht findet ihr hier.)

Seht euch dieses Porträt unten an. Es war ein ziemlich dunkler Raum. Ich wollte ein sehr kühles, unbeleuchtetes Gefühl einfangen, ohne dass es „flach“ wirkt. Also habe ich absichtlich keine Blitzlichter benutzt.

Eine fluoreszierende Deckenleuchte links von Lorenzo beleuchtet ihn leicht von der Seite. Dann gab es einen sehr dunklen, großen Raum zu seiner Rechten, der das Licht aus der linken Seite des Bildes geradezu heraussaugte. Indem ich ihn dort hinstellte, wo sich diese kontrastreichen Bereiche trafen, erhielten sein Gesicht und sein Körper eine sehr schmeichelhafte Modellierung. Wie in 3D.

Dann ließ ich ihn gerade weit genug von der neutralen grauen Wand im Hintergrund entfernt stehen, damit man ihn in seinem schwarzen T-Shirt erkennen konnte. Meine Kamera ist bei schwachen Lichtverhältnissen wirklich gut. Dank der Stabilisierung des Objektivs konnte ich ziemlich schnell auslösen und sicher sein, dass mein Autofokus selbst in einer ziemlich dunklen Szene die Augen scharf bekommt.

Et … voilà! Ich hatte eine dezente Stimmung, die nicht durch eine große künstliche Lichtquelle überlagert wurde.

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Die Herausforderungen? Ohne eine dominante helle Lichtquelle oder andere Hilfsmittel wie einen Reflektor schafft ihr ein Porträt mit Tiefe und Wirkung.

Hobbyfotograf:in: Fotografie bei Nacht

Ein weiterer Vorteil, wenn man sich nach Einbruch der Dunkelheit auf die Umgebungslichter der Nacht verlässt, besteht darin, dass so gut wie alle Lichter nicht „weiß“ sind, was die Farbtemperatur angeht.

Von farbenfrohen Neonlichtern und Straßenlaternen bis hin zu Schaufenstern: Keine dieser Lichtquellen sind „weiße“ Lichter und können deshalb sehr interessante Farbeffekte in euer Bild bringen. Noch besser ist, wenn ihr oft sehr unterschiedliche Lichtarten im selben Foto erhaltet, was einen noch wirkungsvolleren Look ergibt.

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In diesem Bild aus einem der Vaporetto-Busse von Venedig bildeten die gemischten Lichtquellen einen perfekten Rahmen für den Mann in der Mitte. Das sehr schwache Licht in der Kabine nahm der Szene fast alle Farben, außer Orange und Blau, und hinterließ einen auffälligen Duotoneffekt.

Schnappt euch eure Kamera und haltet Ausschau nach Menschen, die von so verrückten, seltsamen oder einfach gemischten Scheinwerfern wie möglich angestrahlt werden. Selbst wenn eure Datei zunächst etwas unausgegoren erscheint: Vergesst nicht, dass ihr die Wirkung dieser Lichtquellen in der Nachbearbeitung durch einen kurzen Klick auf die Regler für Kontrast und Farbsättigung verstärken könnt.

Fortgeschrittene: Was passiert im Schatten?

Wenn ihr aus dunkleren Bereichen heraus fotografiert, entsteht oft ein spannender „Frame im Frame“ – mit zusätzlichen Ebenen aus Bewegung und Tiefe, die euer Bild lebendiger machen. Wenn ihr mutig seid und euch auf diese freien Bereiche einlasst, könnt ihr den Kontrast nutzen, um eure Motive in fast abstrakte Figuren zu verwandeln.

Auf diesem Bild eines Schülers in Liberia war der Schulkorridor dunkel, und das helle Licht aus den Fenstern des Klassenzimmers konnte ihn kaum sinnvoll beleuchten. Es schuf eine sehr markante Silhouette und ein fast monochromes Bild mit einem eigenen inneren Rahmen.

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Fotografiert aus dem Schatten heraus in Richtung Licht – und setzt euer Motiv genau an die Schnittstelle. So entsteht Spannung, Tiefe und ein starkes Spiel zwischen Hell und Dunkel. Wenn ihr euch nicht mehr darum sorgt, ein Porträt mit Augenkontakt, gleichmäßigem Licht und einem Lächeln hinzubekommen, eröffnen sich euch neue kreative Möglichkeiten. Kombiniert aktiv kontrastreiche Bereiche und ungewöhnliche Blickwinkel an eurem lichtarmen Standort und nutzt die Dunkelheit, um Bilder in Bildern zu schaffen.

Pro: Es geht um die Idee, nicht um die Ausrüstung

Zunächst einmal muss ich zugeben, dass diese Challenge ein bisschen geschummelt ist! Oft ertappe ich mich dabei, wie ich in ein leicht polarisiertes Denken abdrifte. Für einen „professionellen“ (d. h. bezahlten) Auftrag packe ich Blitzgeräte, Ersatzblitze, Leuchten, Akkus, Ersatzakkus, Ladegeräte, Reflektoren, den großen Vollformatsensor, den Ersatzvollformatsensor ein … das ganze Drum und Dran halt. Zum Spaß fotografieren? Ich schnappe mir meine Z6II und ein Pancake-Objektiv, und los geht’s.

Manchmal finde ich, dass hochkarätige Hilfsmittel wie große Objektive und Lichter einem die Spontaneität nehmen. Ich möchte die Situation kontrollieren und nicht das Beste aus ihr machen (wie bei allen vorangegangenen Challenges). Außerdem werden sich nicht-professionelle Fotomodelle sehr schnell der vielen Lichter um sie herum bewusst. Was dazu führt, dass sie sich in ihrer Pose ein wenig „versteifen“.

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Nehmt dieses Bild von einigen Mädchen in einem Waisenhaus in Togo. Technisch gesehen ist daran nichts „richtig“. Kein Mädchen ist richtig beleuchtet. Sie sind nicht in einer sauberen Linie angeordnet. Der Hintergrund ist viel heller als sie selbst. Es ist nicht einmal richtig scharf. Ich habe noch nicht einmal durch den Sucher geschaut – frei nach dem Motto: „Auslöser drücken und hoffen!“ Oh, und es war auch die völlig falsche Belichtung für die Szene, da ich im manuellen Modus arbeitete und keine Zeit zum Umstellen hatte.

Es ist kein Profifoto, ganz gleich, wie man es betrachtet. Und dennoch? Das ist eine meiner besten Aufnahmen von Menschen, die ich je gemacht habe.

Der einzige Grund, warum diese Aufnahme auch nur ein bisschen taugte, ist, dass ich sie mit meiner ersten Digitalkamera, der tollen Nikon D800, gemacht habe. Sie hat unglaubliche Details praktisch aus dem Nichts herausgeholt. Man muss dazu noch bedenken, dass die D800 vor 12 Jahren auf den Markt kam (meine ist immer noch in Betrieb!). Stellt euch also vor, was mit einer modernen Kamera der Z-Serie alles möglich ist.

Was bedeutet das nun für die „Profi“-Challenge? Nun – seltsamerweise ist es die einfachste, aber die wichtigste, und definitiv eine, die alle Fotograf:innen ausprobieren sollten.

Packt nichts ein – außer einer Kamera und eurem leichtesten Objektiv. Schnappt euch ein Motiv oder eine willige Person, begebt euch an einen Ort mit Lichtverhältnissen, bei denen man kaum ein brauchbares Bild erhalten wird. Und schaut, was dabei herauskommt.

Vor allem …

Denkt daran, so wie bei meinem letzten Foto-Finish: Wenn ihr anfangt, lasst euch nicht von einer „Profi“-Challenge abschrecken. Alle können – und sollten – es ausprobieren. Ihr werdet überrascht sein, wie oft Einsteiger:innen uns abgestumpften Profis die Stirn bieten können.

Auf der dunklen Seite

Hinter all diesen Challenges steht der Gedanke, dass schwaches Licht eine positive Kraft für eure Bilder wird.

Vergesst nicht: Die Power der neuen Z-Mount-Objektive, die brillante Farbwiedergabe der NEF-RAWs und die intelligente Bildverarbeitung eurer Kamera sorgen dafür, dass ihr euch voll und ganz auf euer Equipment verlassen könnt. In 99 von 100 Fällen erhaltet ihr ein brauchbares Bild. Also ärgert euch nicht mehr über schwaches Licht, sondern geht raus und kreiert echtes Drama.

Zu guter Letzt: Danke, Nikon Z. Ich habe keine Angst mehr vor der Dunkelheit – und das solltet ihr auch nicht!

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