Masterclass für Dokumentarfilme mit Christopher M Nicholls

Christopher M NichollsVideografie03 Nov. 202510 min read
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Vom Storyboard bis zur Vorführung – so erweckt der Filmemacher Christopher M Nicholls mit Nikons erstem Video-Power-Zoomobjektiv seine Ideen zum Leben …

Der mit dem Bafta-Award ausgezeichnete Regisseur und Filmemacher Christopher M Nicholls, bekannt für seine authentischen Geschichten für Netflix, BBC, HBO und Disney+, richtete seine Kamera für den Kurzfilm FLOW auf Tokyo-B-Girl Mimi. Dabei kombinierte er seine Nikon Z9 mit dem NIKKOR Z 28-135 mm f/4 PZ, Nikons erstem FX-Powerzoom für professionelle Videos. Mit seinem vielseitigen Zoombereich, dem sanften Power-Zoom und dem für Videos optimierten Design bot das Objektiv Christopher die Flexibilität, mit minimaler Ausrüstung kinoreife Clips zu erstellen. Hier gibt er mit seinen eigenen Worten eine Masterclass im Dokumentarfilmemachen, die alles von Storyboarding und Set-ups bis hin zu Interviewtechniken, Beleuchtung, Komposition und Schnitt abdeckt.

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Das neue NIKKOR Z 28-135mm f/4 PZ – perfekt für unterwegs

Storyboarding

Storyboarding kann das nützlichste Werkzeug sein – aber einen auch ‚kreativ‘ in eine Sackgasse führen, wenn man sich zu sehr darauf verlässt. Es ist wichtig, ein Storyboard zu erstellen, um eine Vorstellung davon zu haben, was man aufnehmen möchte. Am Drehtag aber ist Flexibilität gefragt, insbesondere bei Dokumentarfilmen. Beim Filmemachen geht es vor allem um Problemlösung und Flexibilität. Man sollte also ein Storyboard haben, aber flexibel bleiben und mit dem arbeiten, was man hat.

Storytelling

Dokumentarfilmer:innen haben die Verantwortung, die Geschichte ihrer Protagonisten so authentisch wie möglich zu erzählen. Deshalb beginne ich immer damit, die Person zu verstehen und sicherzustellen, dass mein Stil zu ihr passt. In FLOW habe ich mich vorher mit Tänzerin Mimi unterhalten, um sie und ihren Tanzstil besser zu verstehen und authentisch darstellen zu können.

Beim Geschichtenerzählen dreht sich alles um Rhythmus, und bei diesem Film hat sich der Rhythmus ganz organisch entwickelt. Als ich Mimi tanzen sah, fiel mir die Geschwindigkeit und der Stil ihrer Bewegungen auf: Ich fragte mich: „Wie kann ich meine Kamerabewegungen daran anpassen?“ In der Postproduktion wurde das zu: „Wie kann ich meine Bearbeitungen daran anpassen?“ Alles – Bildausschnitt, Blickwinkel, Tempo – musste zusammenpassen. Wenn man superschnelle Kamerabewegungen, aber sehr langsame Schnitte macht, kann das irritierend wirken, und umgekehrt. Es geht darum, ein Gleichgewicht zwischen Schnelligkeit und Langsamkeit zu schaffen. Den Zuschauer:innen Zeit zu geben, sich mit den Figuren und Schauplätzen auseinanderzusetzen, ohne dabei an Dynamik zu verlieren.

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Vor dem Interview immer für entspannte Nerven sorgen

Interviewtechnik

Manche Menschen haben Erfahrung darin, über sich selbst zu sprechen, und schaffen es auf Anhieb. Andere hingegen sind persönlich sehr gesprächig, erstarren aber und werden nervös, sobald es „Action“ heißt. Ich rede erst einmal mit den Leuten, um sie auf menschlicher Ebene zu verstehen.

Um hilfreiche Antworten zu erhalten, stelle ich offene Fragen – damit nicht nur ein kurzes „Ja“ oder „1985“ oder so kommt. Den besten Weg zu den benötigten Informationen findet man mit der Praxis.

Vor dem Interview sollte man seine Vorstellung von den wichtigsten Inhalten vermitteln. Es gab schon Momente, in denen jemand nicht über etwas Bestimmtes reden wollte – das muss man respektieren. Anders würde man selbst es ja auch nicht wollen Wenn man das Gute im Menschen anspricht, bekommt man oft mehr als erwartet. Mit echtem Interesse am Leben anderer kann man weit kommen. Teile ich die Leidenschaften der anderen, kommt eine Verbindung zustande.

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Der sanfte, präzise steuerbare Power-Zoom des NIKKOR Z 28-135mm f/4 PZ verfügt über elf verschiedene Geschwindigkeiten sowie sanfte Zoomübergänge (Ease-in/Ease-out). Zudem lässt sich die Brennweite in 4K um das 2-fache auf 270 mm erweitern – an einer Nikon Z8 oder Z9 (1,4-fach mit einer Nikon Z6III).

Objektivwahl

Zu Beginn kann zu viel Freiheit und zu viel Ausrüstung dazu führen, dass man beim Filmemachen – Achtung, Wortspiel – den Fokus verliert. Ich fokussierte mich auf die tollen Sachen, die ich mit dem NIKKOR Z 28-135mm f/4 PZ erreichen konnte, und benutzte nur dieses eine Objektiv. Das war eine Erleichterung. Statt über zu viel Auswahl dachte ich über die verschiedenen Clips und Stile nach, die dieses Objektiv bieten könnte – von kreativen, ungewöhnlichen Blickwinkeln bis hin zu traditionellen Beauty-Clips und klassischen Dokumentaraufnahmen. Es war eine wirklich interessante Herausforderung, nur mit einem einzigen Objektiv zu arbeiten. Das möchte ich gerne öfter ausprobieren.

Eine der coolen Sachen war, dass wir das Objektiv auf einen Gimbal montiert und ferngesteuert* haben. So konnte ich einen Dolly-Zoom machen – also auf das Motiv zulaufen und gleichzeitig auszoomen. Und dabei die Geschwindigkeit genau einstellen, um einen flüssigen, dramatischen Effekt zu erzielen, wie ihr im Video unten sehen könnt. Normalerweise ist das sehr technisch und erfordert einen Dolly, einen Kameraassistenten und eine sorgfältige Einrichtung. Das spontan während unserer Fahrt durch Tokio zu machen, war einfach toll. Wir haben auch einige fantastische Push-ins aus großer Entfernung geschafft. Einmal stand ich mit einem Walkie-Talkie im achten Stock eines Gebäudes und schaute auf Mimi unten auf der Straße hinunter. Sie blickte direkt in die Kamera, während ich reinzoomte. Mit dem Objektiv konnte ich gleichmäßige, konsistente Zoomaufnahmen machen – je nach Bedarf langsam und flüssig oder schnell und ausdrucksstark. Das Experimentieren damit hat richtig Spaß gemacht.

Ich hatte zuvor noch nie mit einem motorisierten Zoomobjektiv gearbeitet. Dieses hier ist solide verarbeitet, gut ausbalanciert und ein großartiges Gerät für Solo-Dreharbeiten unterwegs. Ich war beeindruckt, wie die Ingenieure das Drehmoment am Zoomring geregelt haben. Ich bin an manuelle Zoomringe gewöhnt, bei denen man alles in der Hand spürt und es nur auf die Kraft ankommt, die man aufwendet. Bei diesem Modell sorgt der Motor für eine gleichmäßige Bewegung, gewährleistet aber auch bei schnellen Bewegungen einen sanften Übergang von einer Brennweite zur anderen. Außerdem änderte sich die Länge des Objektivs nicht, als ich von einem Ende zum anderen zoomte. Das war großartig, da wir zum Großteil mit einem Gimbal gedreht haben. Hätte sich die Länge geändert, hätte ich jedes Mal auch das Gleichgewicht neu einstellen müssen.

Kameraeinstellungen

Die verwendeten Einstellungen sollten das Verständnis der anderen Person widerspiegeln. Für diesen Film wollte ich eine Mischung, einen Kontrast zwischen schnell und langsam. Denn wenn alles schnell ist, kann einen das beim Ansehen später überwältigen. Man braucht Zeit, um sich mit Figuren, Schauplätzen und Momenten auseinanderzusetzen. Daher filmte ich entsprechend der Handlung mit verschiedenen Blenden. Für die Interviews wollte ich einen gewissen Roll-off im Hintergrund. Also nahm ich mit f/4 auf, um durch die Geschichte selbst oder die Bewegung innerhalb des Clips ein „filmisches“ Gefühl zu erzeugen. Das Filmen von Tanzszenen mit f/1.8 wäre unmöglich gewesen – alles wäre unscharf geworden! Bei f/4 erhielt ich unabhängig davon, ob die Bewegung langsam oder schnell war, genau das gewünschte Bokeh. Je näher man rangeht, desto mehr sieht f/4 wie eine größere Blende aus. Ich konnte damit keine Einschränkungen feststellen. Es funktionierte wirklich hervorragend.

Auch wenn variable ND-Filter integriert sind, sollten Einsteiger:innen unbedingt die Gegenlichtblende verwenden und in einen guten, aufschraubbaren variablen ND-Filter investieren, um Blendlicht durch Sonne oder andere Lichtquellen zu vermeiden.

Nikon magazine - A documentary-making masterclass with Christopher M Nicholls

FLOW | Ein Kurzfilm von Christopher M Nicholls

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Bildausschnitt

Tokio bot eine unglaubliche Kulisse. Es gibt viele hohe Gebäude, erhöhte Autobahnen und Aussichtspunkte, von denen aus man das Geschehen von oben oder unten beobachten kann. Ich suchte nach Möglichkeiten, den Brennweitenbereich zu nutzen. Ich wollte in der Szene mit Mimi präsent sein, sie aber auch weit entfernt platzieren. In einigen Clips steht sie auf einer Brücke, und ich bin unten auf dem Boden und zoome durch Laternenpfähle. Oder ich auf einem Balkon und sie auf Straßenhöhe. Der Autofokus funktionierte hervorragend – insbesondere in den Außenaufnahmen, wo er Mimis Gesicht beim Tanzen verfolgen musste. Es ging darum, die Umgebung optimal zu nutzen und Spaß damit zu haben.

Wenn ich mit Gimbal filmte und eine schöne Weitwinkelaufnahme machen wollte, konnte ich bei 28 mm bleiben und sie beim Tanzen umkreisen. Dann, ohne anzuhalten oder das Objektiv zu wechseln, auf 50 mm zoomen, um eine ganz andere Stimmung einzufangen. Ab 85 mm wird es auf einem Gimbal aufgrund meiner physischen Einschränkungen als Bediener wackelig. Der Power-Zoom in Kombination mit dem Griff und den Kamerasteuerungen gab mir jedoch die Flexibilität, mich beim Filmen zu bewegen und die Brennweite zu wechseln, ohne neu ausbalancieren zu müssen.

Das Zoomen selbst war wunderbar flüssig, mit variablen Geschwindigkeitseinstellungen von sehr langsam bis superschnell – fast wie ein Crash-Zoom. Bei niedrigen Geschwindigkeiten blieb es durchgehend vollkommen gleichmäßig, was von Hand nur schwer zu erreichen ist. Man sieht diese Art des langsamen Zooms häufig in den Werken von Regisseuren wie Wes Anderson, die ich sehr schätze. Bei hohen Geschwindigkeiten kann eine solche schnelle Bewegung von Hand ausgeführt etwas chaotisch sein, aber cool aussehen. Das Tolle daran ist jedoch, dass die Geschwindigkeit mit dem Power-Zoom über den gesamten Bereich hinweg zu 100 Prozent konstant war. Das trägt definitiv zum Kino-Feeling bei.

Das Video unten zeigt den Unterschied bei der Zoom-Geschwindigkeit.

Beleuchtung und Mikrofone

Wenn man gerade erst anfängt, hat man nicht unbedingt Zugang zu den besten Drehorten oder teurem Licht. Deshalb wollte ich dieses Projekt unter Berücksichtigung dieser Tatsache drehen und den Menschen, denen wir dieses Objektiv vorstellen, treu bleiben. Ich habe das Interview ganz traditionell gestaltet. Wir hatten zwei Kameras auf Stativen: eine Standard-A-Kamera für die Weitwinkelaufnahme und eine B-Kamera, die leicht seitlich versetzt war. Ich hatte sowohl ein Lavaliermikrofon als auch ein Mikrofon an einem Ausleger, der auf einem Stativ montiert und direkt über ihrem Kopf positioniert war. Außerdem hatte Mimi ein Sennheiser-Ansteckmikrofon unter ihrem T-Shirt versteckt. Ich hatte einen schönen langen Raum gefunden. So war selbst bei f/4 der Fokusabfall gut sichtbar. Das Objektiv hat einen weichen Fokusabfall, sodass es auf der A-Kamera großartig aussah. Auf der B-Kamera haben wir etwas weiter hineingezoomt, sodass f/4 eher wie f/3.5 oder f/2.8 wirkte. Ich hatte einen Aputure LS 600d als Hauptlichtquelle. Aber da es ein sonniger Tag war und der Raum ein sehr langes Fenster an der Seite hatte, habe ich ein 8x8-Scrim auf der Veranda angebracht, um das Sonnenlicht zu streuen. Dieses diente dann als Hauptlichtquelle. Es gibt keine bessere Hauptlichtquelle als die Sonne! Hinten im Raum habe ich ein kleines Haarlicht angebracht, um Mimis Kopf zu betonen. Und – so nah wie möglich – ein großes Matthews-Floppy-Negativlicht, um den schönen Schatten auf ihrem Gesicht zu erzeugen.

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Eine einfache Einrichtung für Filmemacher Christopher M Nicholls

Ton

Meiner Meinung nach ist die richtige Tonwiedergabe einer der wichtigsten Aspekte beim Filmemachen. Als Regisseur:in muss man sich für eine Atmosphäre entscheiden und über Gefühl und Stimmung nachdenken. Für dieses Projekt habe ich einige meiner Lieblings-Hip-Hop-Tracks und ein paar schöne Jazz-Tracks bearbeitet und an einen Komponisten geschickt. Er hat sein Bestes gegeben, um diese Stimmung wiederzugeben. Wenn man den Film mit der Musik synchronisiert, stellt man fest, dass ein Großteil des Rhythmus in der Postproduktion entsteht. Man kann aber auch die Ein- und Ausstiegspunkte basierend auf den verwendeten Tracks festlegen. Das trägt dazu bei, den Rhythmus zu schaffen, der sich durch das Stück zieht.

Bearbeitung

Der Großteil des Projekts wurde in 8K gefilmt. Für ein paar Szenen aber wählte ich 4K, für eine höhere Bildrate. Sonst filme ich meist in 4K, mit Ausgabe in 1080, für Beschnitt, Scharfzeichnung und mehr Detailgenauigkeit. Aber zu sehen, wie 8K auf 4K heruntergerechnet wurde, war wirklich cool. Wir haben DaVinci Resolve für die Bearbeitung verwendet – das ist eine der besten Softwarelösungen für die Verarbeitung von N-RAW-Dateien.

Wenn ich mit dem Schnitt beginne, habe ich mir beim Filmen bereits gedacht: „Okay, das ist mein Einstieg, damit möchte ich beginnen.“ Beim Filmen des Interviews überlege ich mir ganz am Ende: „Habe ich einen Clip, den ich über diesen Teil legen kann?“. Manchmal mache ich es auch umgekehrt – beide Ansätze funktionieren. Ob man Interviewte zeigen oder als Voice-over einspielen sollte, hängt davon ab, was sie sagen. Das Zeigen ist besonders dann gut, wenn sie etwas Emotionales sagen – oder strahlend lächeln –, da wir uns alle damit identifizieren können. In diesen Momenten entsteht beim Betrachten eine Verbindung. Wenn jemand lächelt, fühlt man sich psychologisch offener und entspannter. Im Interview mit Mimi sehen wir sie zum ersten Mal, wie sie sich vorstellt. In der nächsten Szene lächelt und lacht sie. Für mich sind diese Momente Gold wert – sie sind genau das, wonach ich suche, wenn ich zu den Sprecher:innen schneide.

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FLOW | Hinter den Kulissen mit Filmemacher Christopher M. Nicholls

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Abschließende Gedanken

Das Wertvollste, was man bei der Erstellung eines Dokumentarfilms tun kann, ist, authentisch zu sein – gegenüber sich selbst, aber auch gegenüber den Protagonist:innen und dem, was sie über ihr Leben erzählen. Sie sind so freundlich, einen in ihre Welt zu lassen – als Filmemacher:innen haben wir die Pflicht, sie so authentisch wie möglich darzustellen.

* Mit den Apps Nikon Snapbridge, NX Field oder NX Tether kann man die Zoomfunktion des NIKKOR Z 28-135mm f/4 PZ drahtlos bedienen. Separat dazu gibt es den Nikon MC-N10 als kabelgebundene Fernbedienung.

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