Perfektion auf dem Spielfeld: Die Frauen-EM fotografieren wie ein Profi

Sport und Action 04 Juli 20256 Minuten Lesezeit
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Fotografin Harriet Lander gibt Tipps zu Ausrüstung und Bildkomposition und berichtet von ihren Erlebnissen hinter den herausragenden Bildern von 2022 – während sich die Welt auf die nächste UEFA-Fußball-Europameisterschaft der Frauen im Juli freut.

Harriet Lander ist eine der dynamischsten Fotografinnen im Frauenfußball. Sie hat ein Gespür für visuelles Storytelling und ein Händchen für den Kern des Spiels. In ihren Arbeiten, die sowohl dramatische Ereignisse als auch ruhige Momente der Besinnung umfassen, verbindet sie einen filmischen Stil mit unverfälschten Emotionen. Das hat ihr eine beachtliche Liste von Auftraggebern eingebracht, darunter Getty Images, Chelsea FC und Volvo. „Ich war einfach ein großer Fan und hatte das Glück, viel Fußball live zu sehen. Als ich älter wurde, fing ich an, zu beobachten, was die Fotograf:innen machten“, erinnert sich Harriet. Als Teenager bekam sie die Gelegenheit, ein hochkarätiges Spiel zu fotografieren, was ihre Ambitionen verstärkte. „Ich habe mich irgendwie darin verliebt. Ich beschloss auf der Stelle, dass es das war, was ich machen wollte. Danach habe ich alles getan, um es nach oben zu schaffen.“

Von den Bolzplätzen bis hin zu globalen Turnieren war Harriets Aufstieg in der Fußballfotografie weniger ein einmaliger Durchbruch als vielmehr ein stetiges Nutzen von Gelegenheiten – angetrieben von Beharrlichkeit, Leidenschaft und vielleicht einem Hauch von Glück. „Ich hatte das Glück, mit einer Agentur zu arbeiten, die über die Spiele der Premier League berichtet, und sie haben mich wirklich unterstützt“, sagt sie. Ein weiterer wichtiger Wendepunkt ergab sich, als Chelsea FC direkt auf sie zukam. „Sie wollten jemanden, der alle ihre Fraueninhalte abdeckt“, erklärt Harriet. „Damals wusste ich noch nicht viel über den Frauenfußball, aber wenn sich ein Name wie Chelsea meldet, lehnt man die Chance nicht ab.“ Das Eintauchen in das Teamumfeld entfachte ihre Liebe zur Frauen-Super-League-Fotografie, die sich schließlich über den FC Chelsea hinaus ausbreitete und ihr auch Aufträge für die englische Frauen-Nationalmannschaft einbrachte. „Es gibt nicht so viele Frauen in der Branche“, erklärt sie. „Und viele weibliche Teams wollen, dass eine Frau sie fotografiert.“ Aber Harriets Weg war nicht nur durch gutes Timing geebnet. „Ich habe immer hart gearbeitet. Ich bin so viele Stunden zu irgendwelchen beliebigen Spielen gereist, einfach weil ein Spiel stattfand“, sagt sie. „Ich wollte dabei sein und es festhalten.“

Diese Arbeitseinstellung und ihr Gespür für Teamdynamik haben Harriet zu einer der gefragtesten Fotografinnen im Frauenfußball gemacht. Ihre Bilder sind online, in Magazinen und sogar auf riesigen Plakatwänden zu sehen. Kein Wunder also, dass sie die elektrisierenden Höhepunkte der UEFA-Frauen-Europameisterschaft 2022 festhalten durfte. Und klar, dass sie auch beim Turnier 2025 wieder dabei sein wird – diesmal allerdings mit der Nikon Z9 statt mit der D5.

Mit ihrem fachlichen Können und ihrem künstlerischen Blick führt uns Harriet durch fünf ihrer Lieblingsbilder von der UEFA Women's EURO 2022 und verrät uns die Geheimnisse ihres Erfolgs auf dem Spielfeld.

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Jéssica Silva. D5 + NIKKOR AF-S 400mm f/2.8E FL ED, 400 mm, f/2.8, 1/6400 s, ISO 320, ©Harriet Lander via Getty Images

Rein ins Getümmel

Das ist eines meiner Lieblingsbilder des Turniers 2022. Es wurde beim Aufwärmen fotografiert. Die Lichtverhältnisse waren an diesem Tag wirklich schwierig. Eine Tribüne war völlig überbelichtet, während ein großer Teil des Spielfelds im Schatten lag. Ich dachte mir: Das wird schwierig, weil ich ständig die Belichtung überprüfen muss. Aber ich beschloss, einfach das Beste daraus zu machen. Die Portugiesin Jéssica Silva hat diese tollen Braids. Während sie beim Aufwärmen sprang, entstand diese wirklich schöne Form, die so gut als Silhouette vor dem weichen, weißen, überbelichteten Hintergrund wirkte. Es hat einfach als Bild funktioniert. Das ist das Schöne am Aufwärmen: Es gibt keinen Druck – das ist auch eine Art Aufwärmen für mich.

Top-Tipp: Ich bereite jede meiner Kameras mit einem bestimmten Objektiv vor. Bei der D5 ist das normalerweise das NIKKOR AF-S 400mm f/2.8E FL ED. Es ist beim Fußball unverzichtbar, weil es mich einen Schritt näher an die Spielerinnen heranbringt – vor allem, wenn sich das Geschehen weiter draußen auf dem Feld abspielt. Aber ich suche auch gerne nach Porträts mit dieser Optik. Ich fokussiere nicht immer nur auf das Gesicht, sondern oft auf kleine Details, die kaum jemand sieht.

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Links/oben: Ella Toone. D5 + NIKKOR AF-S 24-70mm f/2.8G ED, 24 mm, f/2.8, 1/1600 s, ISO 2500. Chloe Kelly und Lucy Bronze. D4S + NIKKOR AF-S 70-200mm f/2.8G ED VR II, 200 mm, f/2.8, 1/1250 s, ISO 800, ©Harriet Lander via Getty Images (auch Eröffnungsbild)

Für das Finale waren wir zu viert für Getty am Spielfeldrand. Ich bekam leider nicht die Bilder, die ich mir erhofft hatte, da ich eher eine Nebenrolle hatte und nichts so recht zusammenpasste. Ich wollte gerade zusammenpacken, als ich bemerkte, dass Ella Toone und Alessia Russo die Trophäe entgegennahmen, um sie den Fans auf der Tribüne zu zeigen. Ich griff zur Kamera und kam genau da an, als sie die Trophäe herüberbrachten. Sie waren so ein ikonisches Duo. Ich liebe die Art und Weise, wie Ella die Trophäe festhält. Es ist ein besonderer, spontaner Moment. Nicht gestellt, einfach zwei beste Freundinnen, die gerade die EURO gewonnen haben und mit Sonnenbrille und Bucket Hat rumlaufen. Das ist mit Abstand mein Lieblingsbild vom Finale.

Top-Tipp: Wenn man immer wieder die wichtigen Momente verpasst, sollte man einen Moment innehalten und nachdenken. Man muss das Spiel lesen können. Schaut nicht nur auf die Spielerin, die die Flanke schießt, sondern schaut auch, wer den Ball bekommen könnte. Der Vorteil, wenn man oft dieselben Teams oder Spielerinnen fotografiert, ist, dass man ihr Spiel mit der Zeit besser einschätzen kann.

Fußballfotografie ist zum großen Teil Glückssache. Wenn man am falschen Ort sitzt, kann man nicht viel machen – man muss mit dem arbeiten, was man hat. Wie hier auf dem Foto oben rechts: Chloe Kelly ist kurz davor, einen der kultigsten Jubel im Frauenfußball zu machen – und läuft in die andere Richtung. Zuerst dachte ich: „Nein, nein, nein! Komm hierher!“ Aber es sollte nicht sein. Ich habe immer noch Chloe im Hintergrund und wir alle wissen, was sie gleich tun wird – also ist es für mich Lucy Bronzes Reaktion. In diesem Moment steckt so viel Emotion in ihr. Sie ist so eine legendäre Spielerin für England, die schon lange Teil dieses Teams ist und viele Finals mitgemacht hat. Man sieht ihr an, wie viel es ihr bedeutet, und das ist echt Gold wert. Und das ist das Schöne am Fußball. Ihr könnt den besten Plan der Welt haben, aber wenn ihr am falschen Ort sitzt, müsst ihr einfach das Beste daraus machen. Das macht es so spannend – spontan sein und weitermachen.

Top-Tipp: Für alle, die Fußball fotografieren, ist das NIKKOR AF-S 70-200mm f/2.8G ED VR II eine erstklassige Wahl. Es lässt mich wirklich nie im Stich und ist das einzige Objektiv, auf das man meiner Meinung nach in der Fußballfotografie nicht verzichten kann. Ihr wisst, dass ihr alles, was im Strafraum passiert, einfangen könnt. Wenn die Spielerin auf euch zukommt, wisst ihr, dass ihr immer noch fotografieren könnt. Das spiegellose Pendant dazu ist das NIKKOR Z 70-200mm f/2.8 VR S.

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Fans. D5 + NIKKOR AF-S 24-70mm f/2.8G ED, 24 mm, f/2.8, 1/1250 s, ISO 1000, ©Harriet Lander via Getty Images

Die niederländischen Fans sind beeindruckend! Ich hatte ihre Lieder nach dem Turnier noch monatelang im Kopf. Orange ist sicherlich keine Farbe, die man im Alltag trägt, aber sie ist optisch sehr wirkungsvoll. Am meisten gefällt mir an diesem Bild, dass der Niederländer, von Kopf bis Fuß in Orange gekleidet, so leidenschaftlich für sein Land ist – sogar sein Gesicht ist bemalt, Dann ist da noch diese Gruppe von jungen Männern aus Rotherham, die nichts mit Fußball zu tun haben und einfach zufällig in die Parade hineingesogen wurden. Englische Fußballfans werden oft für ihre Feindseligkeit kritisiert. In diesem Moment ist es einfach nur komisch, weil diese Typen aus ihren Bierdosen trinken und diese beiden Welten aufeinander prallen.

Top-Tipp: Ich bin seit 2022 auf die Z9 umgestiegen – sie ist fantastisch. Mit dem eingebauten Sender kann ich die Bilder über das WLAN des Stadions direkt an die Redaktion schicken, sofern die Verbindung stark genug ist. Das geht buchstäblich per Druck auf die Taste, die ich vorne auf der Kamera eingerichtet habe. Schnelligkeit ist heute das A und O, denn die Redaktion braucht die Lieferung vor allen anderen, und deshalb ist der eingebaute Sender ein echter Vorteil.

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Deutsche Flaggen. D5 + NIKKOR AF-S 24-70mm f/2.8G ED, 24 mm, f/2.8, 1/1250 s, ISO 2500, ©Harriet Lander via Getty Images

Das deutsche Team machte diesen Jubel immer wieder nach den Spielen: Sie hielten sich an den Händen und liefen auf die Fans zu und sprangen hoch. Ich wusste also, dass das kommen würde. Ich wollte es von der Tribüne durch die Fahnen hindurch fotografieren, wie aus der Sicht der Fans. Es hat sehr gut geklappt. Die schiere Begeisterung der Frauen, die auf die Fans zulaufen ist toll.

Top-Tipp: Meine bevorzugte Position ist normalerweise hinter dem Tor und ungefähr auf halbem Weg zwischen der Eckfahne und der Strafraumkante. Das ist mein Sweet Spot. Viele Leute stehen gern an der Ecke, weil da viel gejubelt wird. Ich stehe aber lieber etwas weiter innen, weil ich so einen besseren Blick auf die Spielerinnen habe, die über den Flügel auf die Kamera zulaufen. So kann ich besser Gesichter und Emotionen einfangen und nicht nur Hinterköpfe oder Profile.

Harriets sieben Geheimnisse für den Erfolg

1. Leidenschaft für Festbrennweiten

Ich verwende normalerweise eine Festbrennweite mit meiner Z9. Man könnte meinen, dass Festbrennweitenobjektive im Fußball nur begrenzt einsetzbar sind. Aber sie sind perfekt, um die ruhigeren Momente einzufangen, in denen nicht so viel Action ist. Und genau das mag ich so sehr. Das ist die Seite des Fußballs, die mir besonders viel Spaß macht, weil sie eine andere Seite dieses Sports zeigt. In größeren Stadien, wo ich mehr die Atmosphäre einfangen will, nehme ich das 35-mm-Objektiv. Aber das 50-mm-Objektiv ist mein absoluter Favorit. Die Brennweite ist echt super, weil sie zwar weit, aber nicht zu weit ist und auch nicht zu eng. Es kommt dem, was die Augen sehen, am nächsten. Außerdem mag ich es, wenn die Blende so weit wie möglich geöffnet ist. Bei meinem 50-mm-Objektiv ist das f/1.4. So kriege ich superweiche Hintergründe hin.“

2. Runtergehen

Ich finde, dass man im Stehen selten den besten Winkel zum Fotografieren hat, weil oft Werbetafeln oder andere Dinge das Bild verdecken oder ablenken. Ich mag es, die Action aus einem niedrigen Winkel aufzunehmen, weil dann alles größer, dramatischer und atmosphärischer wirkt. Hier zeigt sich, wie praktisch der ausklappbare Bildschirm der Z9 ist. Früher musste ich mich auf den Boden legen oder versuchen, mein Smartphone so zu halten, dass es mit dem Sucher übereinstimmt, aber das ist jetzt nicht mehr nötig. Der ausklappbare Bildschirm lässt sich auf so viele verschiedene Arten bewegen. Ich kann ihn hoch oder seitlich halten und immer sehen, was gerade passiert.

3. Das Ziel im Fokus

Der Augen-Autofokus der Nikon Z9 ist echt super, ich kann ihn nur empfehlen. Ich bin total begeistert davon. Es ist wie Fotografieren für Dummys. Er ist so hilfreich und so zuverlässig. Er hält einfach den Fokus, während er der Action folgt. Das ist echt praktisch, wenn andere Spielerinnen vorbeilaufen oder in den Bildausschnitt kommen.

4. Blende weit öffnen für mehr Wirkung

Ich mag es, wenn die Blende so weit wie möglich geöffnet ist, damit der Hintergrund schön weich wird. Eine meiner Lieblingskompositionen ist es, die Spielerin ganz klein vor einem großen, weichen, schönen Hintergrund zu zeigen. Dafür muss die Menge an der perfekten Stelle sein und Treppen oder bunte Ordner dürfen nicht stören. Deshalb mag ich es auf dem Trainingsgelände besonders: In einer schönen Landschaft, mit vielen Bäumen oder Wolken im Hintergrund, sodass die Spielerin winzig klein aussieht, mit viel Platz um sich herum.

5. Lasst es atmen

Ich liebe es, Freiraum zu verwenden, aber er muss ein bisschen ungewöhnlich sein. Wenn die Person also nach links schaut, mag ich viel freien Raum hinter ihr, statt das, was natürlich wäre, nämlich vor ihr, in Blickrichtung.

6. Den Moment einfangen, nicht die Bewegung

Die Kameraeinstellungen hängen vom Licht ab, ob es zum Beispiel ein Tagesspiel oder ein Abendspiel ist. Beim Fußball sollte die Belichtungszeit allerdings idealerweise nie unter 1/1250 s liegen, es sei denn, man möchte künstlerische Effekte erzielen und Schwenks machen. Die Action ist rasant, daher solltet ihr eine kurze Belichtungszeit wählen, um das Geschehen einzufrieren.

7. Eure Story zählt – nicht euer Status

Betrachtet jedes Spiel, das ihr fotografiert, als Chance. Im Amateur- und Breitensport gibt's echt viele coole Bilder. Also strebt nicht nur nach der Spitze, ohne den Weg dorthin zu gehen. Denn je höher ihr kommt, desto mehr Einschränkungen gibt es. Man kann nicht einfach machen, was man will. Wenn ihr noch am Anfang steht, könnt ihr herumprobieren, euren Stil finden und eine Beziehung zum Team aufbauen. Das macht nicht nur Spaß, sondern gibt euch auch die Freiheit, zu zeigen, was in euch steckt – und genau das kann euch später Türen zum Spitzenfußball öffnen. Wembley ist beeindruckend, keine Frage – aber auch der lokale Bolzplatz bietet unzählige Möglichkeiten. Habt Spaß beim Fotografieren und bringt die Emotionen in euren Bildern rüber.

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